- 12 Dec, 2025 *
Schaulaufen
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Die Uhr zeigt zwanzig nach an. Die Fenster sind alle geschlossen. Heizung runtergedreht. Hier wird schon kein Feuer ausbrechen, nur weil ich weg bin. Zeit also, mich auf die Socken zu machen.
Mit Gepäck unter dem Arm drehe ich mich auf dem Absatz hin zur Wohnungstür: Schlüsselrassel, Treppensteigen, Türklappern. Die Tasche und den Korb stelle ich vor der Haustür ab, nochmal ein paar Stufen, um das Beet herum. Ich streife mir die Handschuhe über und öffne den Kofferraum, die Fahrertür, die Motorhaube. Ein rascher Blick – sieht noch genauso aus wie gestern. Ich streife die Handschuhe wieder ab, lege sie auf die Kofferraumkante.
Wieder am Hauseingang krame ich das Handy aus der braunen Tasche, um in der App nach meinem Termin zu sehen. Das H…
- 12 Dec, 2025 *
Schaulaufen
–
Die Uhr zeigt zwanzig nach an. Die Fenster sind alle geschlossen. Heizung runtergedreht. Hier wird schon kein Feuer ausbrechen, nur weil ich weg bin. Zeit also, mich auf die Socken zu machen.
Mit Gepäck unter dem Arm drehe ich mich auf dem Absatz hin zur Wohnungstür: Schlüsselrassel, Treppensteigen, Türklappern. Die Tasche und den Korb stelle ich vor der Haustür ab, nochmal ein paar Stufen, um das Beet herum. Ich streife mir die Handschuhe über und öffne den Kofferraum, die Fahrertür, die Motorhaube. Ein rascher Blick – sieht noch genauso aus wie gestern. Ich streife die Handschuhe wieder ab, lege sie auf die Kofferraumkante.
Wieder am Hauseingang krame ich das Handy aus der braunen Tasche, um in der App nach meinem Termin zu sehen. Das Handy wandert geschwind zurück in seine gehäkelte Hülle. Ich hebe den Kopf, höre, wie an dem roten Jeep gegenüber die Handbremse einrastet, schaue herüber und erblicke das Herrchen von Sitz-Platz. „Hallo“, rufe ich freundlich über die Straße. „Hi hi“, schallt es erfreut zurück.
Dann blitzt auch schon die silberne Silhouette mit der gelben Beleuchtung in meinem Augenwinkel auf. Ich gehe, nehme ein paar Schritte nach vorn, hebe den Arm und winke dem Fahrer.
Angestoßen hatte ich die Aktion am Vortag. Ich rief die Nummer auf dem Brief an und wurde ganz lieb durch den Prozess geführt. Ab 12 Uhr würde sich die Firma bei mir melden. Das erste Mal klingelte das Handy um zehn nach, wo mir die Zentrale mitteilte, dass einiges zu schaffen wäre. Zwei bis halb drei. Um kurz nach eins kam noch eine Rückfrage zu den Örtlichkeiten, das Zeitfenster sollte weiterhin passen. Kurz vor zwei kommt schließlich die SMS mit dem Live-Tracking, eine Minute später meldet sich der Fahrer. Nun steht er neben mir, über den Motorraum gebeugt. Fünf Minuten später steht mein Flitzer auf der Laderampe.
Ich schieße noch ein Foto für die Ahnentafel und schnappe mir meine Sachen. Auf der anderen Straßenseite kommt mir der Nachbar entgegen und fragt, was los wäre. Ist immerhin mal was los hier. Am besten, ich kaufe mir ein Pferd. Die Wiese neben dem Haus eignet sich dafür sogar perfekt. Hütehunde sind in der Nachbarschaft ohnehin zahlreich vorhanden.
Dann signalisiert mir der Mann mit den neogrünen Reflektoren auf der Arbeitskleidung, dass wir abfahrbereit sind.
Während mein Nachbar das Gespann nochmal mustert, stiefel ich zu ihm rüber. Der Einstieg ist ebenfalls höher als gewöhnlich, und ich bleibe mit meinen Hacken am Tritt hängen. Ganz so typisch hiefe ich mich im zweiten Anlauf in den Sitz. Eine Unterschrift fürs Protokoll. Los geht die Fahrt.
Wir biegen zwei Mal ums Eck. Auf die Hauptstraße. In Richtung der Unterführung.
Die Frau von der Poststelle sitzt vor ihrem Laden. Sie schaut hinterher, wie der blaue Flitzer an ihr vorbeikutschiert. In der Kabine des Paradewagens legt sich das Gespräch per Du. Es geht um Veränderungen, darum, dass man mit den Augen klauen muss. Den persönlichen Reset.
Wir schlenkern durch enge, kurvige Dorfstraßen. Rollen über asphaltierte Alleen, über die Felder. Erblicken schließlich die Reklametafeln am Zielort.
Ich greife meine Taschen und steige aus, husche über die Straße, die Einfahrt entlang, rein in die Werkhalle. Das Auto kann vorne abgeladen werden. Die gelben Lichter springen an. Zwei Minuten später hat mein Sorgenkind wieder Boden unter den Füßen.
Während der silberne Engel die Unterlagen vorbereitet, drehe ich mir erst mal eine Zigarette. Eine Dame und zwei Herren wandern um mich herum. Sie begutachten die umherstehenden Fahrzeuge, Datenblätter hinter den Windschutzscheiben. Ich schaue abwechselnd von links nach rechts dem Verkehr hinterher. Mit einem Tablet in der Hand kehrt er dann zu mir zurück. Das Kartenlesegerät piept. Die Rechnung kommt per Mail. Danke, das hat echt super geklappt.
Zurück in der Werkhalle folgt ein kurzer Lagebericht. Anschließend die Schlüsselübergabe. Die Werte sollten noch im System sein. Das vertraute Gesicht setzt sich beim Sprechen in Bewegung. Vielen Dank. Bis dann. Ich stapfe durch die Pfützen in der Einfahrt. Setze meine Reise auf dem Gehweg fort.
Die Dinge haben sich verändert. Das bringt mich zunehmend zum Schmunzeln. Es ist das Gefühl, wenn man weiß, dass man Meilen gesammelt hat. Dass der Haken allmählich eingerastet ist.
Parallel läuft mein Fehlersuchsystem auf Hochtouren. Die zurechtgelegten Sätze in meinem Kopf – niemand will sie mehr hören.
Lohnt sich da etwa jenes Investment, von dem sie alle reden? Mein Konto spricht da eine andere Sprache. Meine Mitsprache ebenfalls. Soll und Haben, schätz ich mal.